jede Woche nehme ich mir vor, ein kurzes Journal zu schreiben. Aber auch diesemal gelingt mir das nicht ganz. Denn die regulatorischen Systeme bleiben in Bewegung. Daher mein Tipp, wenn die Zeit knapp ist: Lesen Sie die Überschriften (bitte alle) und picken Sie sich das für Sie Relevante heraus. 1. Neues aus Brüssela) Bericht der KommissionDie MDR und IVDR verpflichten die EU-Kommission zu einem "Bericht über die Befugnisübertragung". Darin muss sie darlegen, wie weit sie die Befugnisse, die ihr die jeweilige Verordnung erteilt, genutzt hat oder noch zu nutzen gedenkt. Die Kommission hat nun diesen Bericht erstellt. Die gute Nachricht: Bei den vielen Punkten kommt sie zur Erkenntnis, dass "Änderungen aufgrund des technischen Fortschritts bislang noch nicht erforderlich" sind. Hingegen kann es im Kontext der UDI bei Kontaktlinsen, bei implantierbaren Produkten und bei klinischen Studien unter Umständen zu "Rechtsakten" kommen. Unser Regulatory Radar hat diese auf dem Schirm. b) Harmonisierung von NormenDie Harmonized Standards Consultants (HAS) haben einen Bericht veröffentlicht. Die Qualität dieser Präsentation empfinde ich nicht als hilfreich für den Auftraggeber bzw. E&Y. Sie lässt aber erahnen, dass der Harmonisierungsprozess nicht reibungslos verläuft. Dass die EU weitere 10 Millionen(!) Euro dafür ausgeben will, weckt Zweifel, ob unsere Steuergelder gut eingesetzt werden. c) Neues MDCG-DokumentDagegen wirkt die neue MDCG-Leitlinie „Guidance on borderline between medical devices and medicinal products” wohltuend hilfreich. Denn sie hilft bei der Einschätzung, wann ein Produkt als Arzneimittel, wann als Medizinprodukt und wann als Kombinationsprodukt zu qualifizieren ist. 2. Regulatorische Vorgaben weltweita) FDA GuidanceDie FDA hat ihr Guidance-Dokument zu "Refuse to Accept" finalisiert. Unser Team für internationale Zulassungen gibt Entwarnung: Die finale Fassung unterscheidet sich nicht nennenswert vom Entwurfsdokument. Es handelt sich v. a. um redaktionelle Änderungen wie Aktualisierungen von Verweisen. b) (Nichts) Neues von der IEC 62304Normalerweise sind im regulatorischen Umfeld keine Nachrichten gute Nachrichten. Bei der IEC 62304 sehe ich das anders. Denn die seit 2006 nur wenig veränderte Norm hätte dringend einer Aktualisierung und Verbesserung bedurft. Themen wie Cloud Computing, KI und vernetzte Systeme sowie die veränderte System- und Werkzeuglandschaft berücksichtigt die Norm nicht. Leider gibt es vom Normengremium keine Fortschritte zu vermelden. Das schadet nicht nur der Software-Entwicklung, sondern auch der Rolle der Normen insgesamt. Damit sind wir wieder bei Punkt 1.b) dieses Journals. 3. Risikomanagementa) Risikomanagement: Wenn sich niemand kümmertU. a. durch das berufsbegleitende Masterstudium "IT im Gesundheitswesen" bin ich ständig im Kontakt mit Herstellern und Betreibern von solchen Medizinprodukten, die Software enthalten oder Software sind. Daher weiß ich, dass allen bewusst ist, dass sie zum Risikomanagement verpflichtet sind. Aber dieses Bewusstsein resultiert nicht immer in den notwendigen Ergebnissen: Ob CTs, Patientendatenmanagement-Systeme (PDMS), Infusionssoftware oder Ultraschallgeräte: Der Einsatz veralteter Betriebssysteme (wie Windows 7) bleibt weit verbreitet. Die Betreiber sagen, es fehle am Geld, um neue Geräte zu kaufen bzw. um Systeme zu aktualisieren. Die Hersteller scheinen nicht zu reagieren, obwohl sie bei der Post-Market Surveillance zwangsläufig diesen Missstand entdecken müssten. Und die Behörden reagieren kaum. Was nützen Regularien, wenn keiner sie beachtet bzw. einfordert? b) Risikomanagement bei ProzessenDie ISO 13485 verlangt, Prozesse zu validieren und sicherzustellen, dass mangelnde Prozessergebnisse nicht zu Risiken für Patienten, Anwender und Dritte führen. Die pFMEA ist eine Methode, um systematisch die Auswirkungen (und damit Risiken) von Prozessen zu identifizieren. Unser neuer Fachartikel zeigt auch, wie pFMEA und dFMEA zusammenspielen. 4. Wechsel der Benannten Stelle? Bitte melden!Im Journal 13/22 hatte ich Zahlen präsentiert, die offenbaren, wie lange die Zertifizierung nach erfolgreichem Audit noch dauert. Neuste Zahlen unserer Forscher (Johner Institut und Harvard University) lassen einen ersten Vergleich zwischen den Zeitspannen in der EU und bei der FDA zu. Noch darf ich nichts zeigen, aber so viel sei verraten: Es ist zum Fremdschämen. Für viele Firmen sind diese langen Zulassungsdauern existenzbedrohlich. Ein nicht unbekannter Hersteller wartet seit August 2020 auf eine Aussage seiner Benannten Stelle (BS)! Jetzt möchte er wechseln und sucht für einen Erfahrungsaustausch Firmen, die bereits solch einen Wechsel geschafft haben oder sich gerade in der Transition befinden. Wenn Sie sich angesprochen fühlen und Ihr Wissen teilen bzw. sich mit gleichgesinnten "Wechselwilligen" austauschen wollen, dann melden Sie sich bitte hier. Wir organisieren gerne die Plattform für diesen Austausch. Mit den besten Grüßen Christian Johner
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